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Es braucht Geduld

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Religionen in den USA sind ein Schwerpunkt im Frühjahrsprogramm des Carl-Schurz-Hauses. Während dem Einfluss weit verbreiteter Glaubensrichtungen in Einzelvorträgen nachgegangen wird, widmet Direktorin Friederike Schulte der Glaubensvielfalt vertiefende Reihen. Den Anfang machen drei Abende zum Buddhismus. Der Freiburger Verleger Derk Janßen, Spezialist für amerikanische Transzendentalisten, spricht dabei mit Vertretern dreier Spielarten des Buddhismus. Zum Auftakt ging es um tibetischen Buddhismus. Da lag es nahe, Wilfried Pfeffer, den Leiter des Freiburger Tibet-Kailash-Hauses, einzuladen, der einmal den Dalai Lama nach Freiburg holte.

Der Buddhismus ist zwar die viertgrößte Weltreligion, aber in den Vereinigten Staaten nur eine Randerscheinung, zu der sich 0,7 Prozent der Bevölkerung bekennen, bei 47 Prozent Protestanten. Trotzdem ist diese kleine Religion mit Anhängern wie dem Schauspieler Richard Gere oder der Popsängerin Tina Turner prominent besetzt. Und ohne die Hilfe der USA wäre der tibetische Buddhismus kaum in der Position, in der er sich heute befindet. Schon Anfang der 50er Jahre wurde er, wie Wilfried Pfeffer berichtete, von der CIA gefördert. Damals ging es darum, einen russischen Einmarsch in Tibet zu verhindern. Aber auch seit 1992 bis heute unterstützen die USA den Dalai Lama mit einigen Millionen Dollar jährlich.

Solche materialistischen Fakten offenzulegen, mag für den Vertreter einer Religionsgemeinschaft sonderbar anmuten, ist aber laut Pfeffer charakteristisch für den Buddhismus, der viel Wert auf kausal nachvollziehbare Abläufe und wissenschaftliche Erkenntnis legt. Der Dalai Lama selbst sorgt auf regelmäßigen Mind-Life-Konferenzen für den Schulterschluss mit den Neurowissenschaften. Es geht nicht um irgendeine Gottsuche. Einen Gott oder Schöpfer braucht der Buddhismus nicht. Es geht um meditative Praxis und darum, sich friedfertig für spirituelle und wissenschaftliche Erkenntnis und menschliche Begegnungen zu öffnen.

Friedfertigkeit sei in der Theorie ja ganz schön, aber wie sehe es damit in unserer gar nicht friedfertigen Welt aus, wollte ein Zuhörer wissen? Es geht nicht ohne Geduld, antwortete Pfeffer. Buddha hat 3000 Leben gebraucht, bis er das wahre Glück gefunden hat. Wiedergeburten müsse man sich wie einen evolutionären Prozess des Bewusstseins vorstellen. Dass der Dalai Lama so offen und angstfrei auftrete, habe auch damit zu tun, dass er nebenbei auch Anekdoten aus seiner Begegnung mit Buddha vor zweieinhalbtausend Jahren einflechten kann.

Derk Janßen verwies darauf, dass der einflussreiche Strippenzieher Robert Thurman, Mitgründer des Tibet House in New York und Vater der Schauspielerin Uma, den amerikanischen Buddhismus in Anlehnung an Jeffersons Verfassungsgrundsatz des Pursuit of Happiness (Streben nach Glück) zu einem Pursuit of real Happiness erweitert hat.

Eigentlich eine Steilvorlage für eine Kritik am heute vielpraktizierten „Wellness-Buddhismus“ als idealer Akzeptanz-Spiritualität für ein entspanntes Mittun im globalen kapitalistischen Spiel. Aber Janßens angenehm empathischer Gesprächsführung ging es mehr um das Herausstellen der Faszination Buddhismus. Und faszinierend ist der Weg des Dalai Lama ja: Gleichberechtigung, Abdankung als weltlicher Herrscher, Demokratisierung und sogar das Angebot, abstimmen zu lassen, ob man seine nächste Wiedergeburt als spirituelles Oberhaupt überhaupt noch haben wolle. Für ein dauerwaches, orgiastisches Cinemaxx-Surround-Geistesleben, von dem Pfeffer schwärmte, wird der Rezensent sich allerdings noch ein paar Leben in Geduld üben müssen.

Nächstes Gespräch: Zen Buddhismus, Carl-Schurz-Haus, Mi, 3. Februar, 19 Uhr.


Quelle : Badische Zeitung


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