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Amidas Licht

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AMIDAS LICHT

Harry Pieper

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Jahrhundert unserer Zeitrechnung war es die
Auffassung der Mehrzahl der damals bestehenden buddhistischen
Schulen, daß alle lebenden Wesen Buddha-Natur hätten. Da jedoch
die dunklen Wolken des Egoismus diese Buddha-Natur verhüllten,
glaubte man, daß es nur notwendig sei, diese Wolken zu vertreiben,
sodaß die wahre Natur – eben diese Buddha-Natur – in die
Erscheinung treten kann. Auch Shinran Shônin hing zunächst dieser
allgemeinen Auffassung an und begann mit großem Eifer seine
Studien dieses ewigen Gesetzes und dessen Verwirklichung
Die hier erwähnte Theorie mag auf den ersten Blick logisch
erscheinen, doch wird versucht, sie tatsächlich in die Praxis
umzusetzen, zeigt es sich bald, daß gar nichts erreicht wird. Ganz
gleich, wie intensiv auch diese „Wolken“ vertrieben werden mögen, –
nichts, was auch nur annähernd der „tathatâ“ (der So-heit, der
Buddha-Natur) gleicht, tritt in die Erscheinung: was jedoch tatsächlich
erscheint, sind immer wieder neue Wolken des Selbstes.
Es ist fast so, als ob man begänne, eine Zwiebel abzuschälen: eine
Lage nach der anderen mag entfernt werden, doch wird man niemals
auf den „Kern“ kommen. Daran ist nichts Besonderes, weil es die
Natur der Zwiebel eben ist, keinen „Kern“ zu besitzen!
In ähnlicher Weise können wir dieses Beispiel auf uns beziehen:
sollten wir wirklich so etwas besitzen wie eben diese Buddha-Natur,
welche frei von allen Unreinheiten und nur von unserem Selbst,
unserer Gier und unserem Durst verhüllt ist, brauchten wir nur diese
Hüllen zu entfernen, um auf diese Weise unsere wahre, reine
(Buddha)-Natur zu enthüllen. Doch leider ist da nichts vorhanden, was
durch unser Selbst irgendwie „verhüllt“ ist, sodaß es keinen Sinn hat,
wenn wir uns bemühen, „Hüllen“ oder besser „Verhüllungen“ zu
entfernen.

Hoch oben in den Bergen des Hiei-Gebirges suchte Shinran Shônin
ernsthaft den wahren Weg, sich streng an die Übungen haltend, von
denen gesagt wurde, daß sie den einzigen möglichen Weg zur
Erleuchtung darstellten. Wie gesagt, es wurde gelehrt, daß niemand in
der Lage sei, die Buddha-Ebene zu erreichen, ohne sich selbst von
seinem Ego und seinen Wünschen frei zu machen. Und so kam es
dann, daß der junge Shinran eines Tages einer kalten und harten
Mauer gegenüberstand, die seinen Weg zum Buddhaland versperrte.
Aber wie ist es ihm letzten Endes doch gelungen, diese Mauer zu
überwinden? Gelang es ihm schließlich doch nach allen
Anstrengungen, diese dicke Mauer mit eigener Kraft zu
durchbrechen?

Nein, nein und nochmals nein. Trotz aller seiner Anstrengungen
war Shinran unfähig, die Mauer zu durchdringen. Als er aber der
Tatsache gegenüberstand, daß keine Eigen-Kraft jemals diese Mauer
durchdringen kann, erkannte er gleichzeitig, daß der Buddha selbst
einen Durchgang in diese Mauer gebrochen hatte, durch den er
hindurch und damit „hinüber“ gelangen konnte!

Es ist zwar bedauerlich, aber leider eine Tatsache, daß wir
Sterbliche mit Illusionen behaftet sind,– und aus diesem Grund ist ein
Weg, der von uns zum Buddha führt, eben blockiert. Doch das
bedeutet nicht, daß überhaupt keine Verbindung zwischen dem
Buddha und uns bestünde, denn es gibt da noch eine andere
Möglichkeit: nämlich einen Weg, der vom Buddha zu uns führt!
Vielleicht kann man es aber auch so ausdrücken: die Tatsache, daß der
Weg von uns aus verschlossen ist, mag der Beweis dafür sein, daß der
Buddha von sich her einen Weg geöffnet hat, andernfalls Sein Wirken
und Seine Lehrverkündigung von vornherein sinnlos gewesen wären!
Die Entfernung zwischen uns und dem Buddha ist unendlich groß.
Der Weg, der von uns Sterblichen zum Buddha hinführt, ist de facto
nicht vorhanden. Nun aber kann der Allerbarmende Buddha diese
Dinge nicht auf sich beruhen lassen, und deshalb kommt Er uns von
Seiner Seite her helfend entgegen. In anderen Worten: der Buddha tritt
in unser Bewußtsein ein, indem Er zum „NAMEN“ (e.g. NAMU
AMIDA BUTSU) wird! Er wird Selbst die Buddhasaat, die im Prozeß
ihres Keimens und Wachsens die Wurzeln unserer Selbstsucht trennt.
Der Buddha sollte nicht betrachtet werden als ein durch unsere Kraft
in unsern Herzen geschaffenes strahlendes Bild, sondern wir sollen
Ihn empfangen von Ihm Selbst durch Seinen Namen „NAMU
AMIDA BUTSU“!

Und es ist eine Tatsache: wenn wir Buddhas Gnade mit
aufgeschlossenem Herzen annehmen, schmelzen unsere egoistischen
Weltlichen Leidenschaften bald dahin und verschwinden! Unser
Selbst und unsere Wünsche können wir dann sich selbst überlassen,
denn sie sind nun tatsächlich das geringste Hindernis,– und nach
ihrem Hinschmelzen und Verschwinden wird sich vor uns eine
wunderbare Welt entfalten. Das ist der Grund dafür, daß Shinran
Shônin den engen, schmalen Pfad der Selbstkraft aufgab und sich
ganz und gar dem großen Wege der „Anderen Kraft“ hingegeben hat.
Man kann diesen Vorgang vielleicht noch so illustrieren: es ist
sinnloses Bemühen, Dunkelheit zu „bekämpfen“, um einen Raum zu
erhellen. Es ist nur nötig, ein Steichholz anzuzünden, und die
Dunkelheit ist im Augenblick verschwunden! Wer also diese einfache
Tatsache übersieht und sich trotzdem anstrengt, Dunkelheit dadurch
zu beseitigen, daß er sie „bekämpft“, kann nur als Narr bezeichnet
werden, denn, wie sehr er sich auch anstrengen mag: seine
Bemühungen sind fruchtlos!

Dieses Beispiel mag, auf die religiöse Ebene bezogen, absurd
erscheinen, doch die Theorie, daß man, um in Kontakt zu kommen mit
Buddha, zuerst das verdunkelnde und verhüllende Selbst bekämpfen
und bezwingen muß, ist genau dasselbe, als wenn man in einem
dunklen Raum gegen die Dunkelheit „kämpft“!

Anstatt einen derart sinnlosen Kampf zu führen, ist es besser und
in erster Linie notwendig, „Licht zu machen“. Ein einziges Licht, das
entzündet wird, löst das Problem auf ganz natürliche Weise, und der
seit unendlichen Zeiten dunkle Raum, der unsere eigene unerleuchtete
Persönlichkeit ist, wird augenblicklich zu einer Welt des Lichtes,–
jenes Lichtes, welches Amida Buddha ist, und das uns gegeben ist
durch Seinen Namen, NAMU AMIDA BUTSU!

Um es nochmals kurz und eindeutig zu sagen: haben wir Seinen
Namen angenommen und in unsere Herzen fest eingeschlossen, wird
er zum Samen der Buddha-Natur, unser Bewußtsein ständig mehr und
mehr durchdringend und erhellend bis in die dunkelsten Winkel,
sodaß dem Selbst und seinen Wünschen schließlich kein Raum mehr
verbleibt. Die anscheinend so schwierigen Probleme lösen sich von
selbst,– Erkennen, Verstehen und schließlich Wissen wachsen auf
ganz natürliche Weise,– auf dem Wege zur vollkommen Erleuchtung
sind keine Hindernisse mehr zu erkennen,– und in einem glücklichen
Augenblick tritt jener Zustand in die Erscheinung, von dem die Lehre
als demjenigen spricht, von dem aus kein Rückschritt mehr möglich
ist.

Gegeben ist uns der Name, NAMU AMIDA BUTSU, und unser
Beitrag ist lediglich Sorgfalt und Geduld in diesem natürlichen
Wachstumsprozeß. Das ist auch der Grund dafür, daß die
Kommentatoren immer wieder den Shin-Pfad des Buddhismus als ein
„Leben der Natürlichkeit“ bezeichnet haben. Wir sind dankbar dafür,
daß uns dieser Weg aufgezeigt worden ist,– dieser wahrhaft natürliche
und leichte Weg, der für jeden gangbar ist, der überhaupt den Wunsch
nach Erreichung des Höchsten Zieles, der Überwindung des Leidens,
des Nirvâna, hat!

NAMU AMIDA BUTSU

NAMU AMIDA BUTSU

NAMU AMIDA BUTSU

Der Text datiert vom 18.4. 1965
www.pitaka.ch

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