Das Neujahrsfest „Losar“ findet im Februar statt und zählt in Tibet zu den wichtigsten Feiertagen. Anders als bei uns, fällt der Festtag auf kein exaktes Datum. Vielmehr variiert der Tag von Jahr zu Jahr, als Orientierung wird dabei der „Mondkalender“ herangezogen.
Die Silbe „Lo“ bedeutet „Jahr“ und „Sar“ heißt „neu“, kurz „Neujahr“. Für einen Buddhisten ist das Neujahrsfest von spiritueller Bedeutung. Die ersten 15 Tage im neuen Jahr sind von entscheidender Bedeutung, da sie eine achtsame Lebensweise erfordern. Wieder ist ein jährlicher Zyklus vorbeigegangen, was das neue Jahr bringen wird, ist ungewiss. Alle in diesem Zeitraum begangenen Taten, die positiven wie die negativen, werden sich nach der buddhistischen Lehre 100 000 Mal verstärken. Daher wird größtes Augenmerk auf die folgenden Tage gelegt, wobei alle positiven Energien gebündelt und Entscheidungen unter diesen Gesichtspunkten gefällt werden.
Das Neujahrsfest kann auf eine lange Tradition zurückblicken, seine Wurzeln reichen bis in die vorbuddhistische Bön-Zeit zurück. Damals versuchte man, die Geister und Beschützer des alten Tibets mit Räucherwerk milde zu stimmen. Aus dieser Zeremonie heraus entwickelte sich das heutige, alljährlich stattfindende Losarfest.
Losar ist kein Ereignis, das an einem Tag vollzogen wird. Vielmehr wird fast eine Woche lang der Übergang in das neue Jahr praktiziert. Hinter den Feierlichkeiten steckt viel Aufwand, die Häuser werden gereinigt und geputzt, neue Gebetsfahnen gefertigt, in den Küchen werden allerlei spezielle Gerichte gekocht und gebacken und all die anderen Kleinigkeiten, die ein Fest erst zu einem guten Fest werden lassen, müssen erledigt werden.
Der 29. Tag des 12. Monats, gerechnet nach dem tibetischen Kalender, wird zur Reinigung und Vorbereitung auf das neue, kommende Jahr genutzt. Die schönsten Dekorationen werden hervorgeholt, die Mönche ziehen ihre feinsten Kleidungsstücke an und bereiten ihre Masken vor, die sie später für ihre rituellen Tänze verwenden werden.
Den ersten Tag des neuen Jahres verbringt die Familie unter sich. Die Kinder beten um den Segen des Vaters, indem sie ihm eine Schale Buttertee reichen, anschließend werden am eigenen Familienaltar Gebete gesprochen. Gestärkt nach einer großen Mahlzeit im Familienkreis werden die Nachbarn aufgesucht. Auch ihnen wird der Buttertee gereicht und die Zeremonie am Familienaltar abgehalten.
Außerdem gibt es die Rauchzeremonie, die im eigenen Haus it Hilfe von Mönchen abgehalten wird. Dabei werden Gebete gesprochen und ein Blick in die Zukunft geworfen.
Der zweite Tag ist der Religion gewidmet und wird in den aufgesuchten Klosterräumlichkeiten verbracht. Man findet sich zu Gebeten ein und erbittet den Segen für das kommende Jahr. Beeindruckende Tänze werden von den Mönchen abgehalten und symbolisieren den Sieg des Buddhismus über die Naturreligionen. Dabei beschränken sich die Zuschauer keineswegs auf einheimische Gläubige, unter den Mitfeiernden finden sich zahlreiche Vertreter verschiedener Länder, die an dem Fest Anteil nehmen.
Am dritten Tag wird das weltliche Leben gefeiert. Es wird getanzt und gelacht und die eigene Geschicklichkeit kann an Sportwettkämpfen erprobt werden.
Die letzten Tage des Festes finden ihren würdigen Ausklang mit gutem Essen und geselligem Zusammensitzen.
Der Ablauf des Neujahrsfestes variiert von Gegend zu Gegend, manchmal dauern die Feierlichkeiten nur drei Tage an, manchmal länger. Im alten Tibet wurde bis zu fünfzehn Tage und länger gefeiert, im heutigen Indien beschränkt sich das Fest auf drei Tage, in Amerika gar auf einen Tag.
Autorin: Mag. Karin Puchegger
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