Seit Jahrzehnten kämpft Aung San Suu Kyi für die Demokratisierung ihrer Heimat. Dafür wurde sie 1990 mit dem Sacharow-Preis geehrt, den sie nun endlich entgegennehmen konnte.
1990 erhielt Aung San Suu Kyi den Sacharow-Preis für geistige Freiheit. Der Preis wird Personen verliehen, die sich für Menschenrechte und Meinungsfreiheit einsetzen. Das europäische Parlament würdigte mit der Auszeichnung die Oppositionspolitikerin Myanmars, ihren gewaltlosen Kampf für Demokratie und ihr herausragendes Beispiel für Zivilcourage. Am Dienstag (22.10.2013) konnte Suu Kyi den Preis endlich entgegennehmen – 23 Jahre, nachdem er ihr verliehen wurde.
1990 wollte Suu Kyi nicht riskieren, auszureisen, denn sie wusste, dass ihr die damals regierende Militärjunta nie wieder gestatten würde, in ihr Heimatland zurückzukehren. Stattdessen übersandte Suu Kyi eine Dankesrede für den Sacharow Preis zum Thema „Befreiung von der Angst“, die zu ihren bekanntesten Reden zählt. Auf bemerkenswerte Weise bringen die Worte die Überzeugungen der Friedensnobelpreisträgerin zum Ausdruck.
Die Befreiung von der Angst
Der Weg, den Aung San Suu Kyi vorzeichnete, erforderte Mut. Sie verwies auf ihr Vorbild Gandhi und die philosophische Tradition Indiens. Dem Ende der Angst folgt, so ihre Überzeugung, ein erfülltes Leben. „Um ein erfülltes Leben zu führen, muss man den Mut haben, die Verantwortung für die Bedürfnisse anderer zu übernehmen. Man muss diese Verantwortung auf sich nehmen wollen.“ Nur so könne es gelingen, Korruption und Gewalt zu überwinden, unter der die Menschen in Myanmar und auf der ganzen Welt leiden.
Verantwortung und Engagement
Im Schicksalsjahr 1988 reiste Suu Kyi, die zu dieser Zeit an einer Hochschule in Indien arbeitete, nach Yangon, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Wenig später erlebte Aung San Suu Kyi den Rücktritt des Machthabers General Ne Win, der jahrelang die Militärregierung angeführt hatte. Die Opposition nutzte die sich bietende Gelegenheit und formierte sich zum Widerstand gegen die Junta. Aung San Suu Kyi schloss sich der Bewegung an und wurde schon bald zu deren Ikone. In ihrer ersten öffentlichen Rede am 26. August 1988 forderte Suu Kyi vor einer halben Million Menschen in Yangon ein demokratisches Mehrparteiensystem für Myanmar. Doch die Hoffnungen der Opposition wurden bald gewaltsam zerschlagen. Die Militärs gingen brutal gegen ihre Gegner vor. Viele wurden ermordet oder für Jahrzehnte weggesperrt.
Erst 1990 gab es erneut die Chance auf einen Kurswechsel. Bei den ersten allgemeinen Wahlen gewann die von Aung San Suu Kyi geführte Nationale Liga für Demokratie (NLD) 59 Prozent der Stimmen. Die Militärs, die um ihre Macht fürchteten, annullierten das Ergebnis, verhafteten ihre Gegner und stellen Aung San Suu Kyi unter Hausarrest. Für zwanzig Jahre stand das Land unter der Knute des Militärs. Bis 2011 verbrachte Suu Kyi mehr als 15 Jahre ihres Lebens im häuslichen Gefängnis. Die Regierung stellt ihr immer wieder frei, das Land zu verlassen, aber sie weigerte sich stets. Sie wusste, dass sie nur so ihren Einfluss geltend machen konnte.
Die schwerste Prüfung
Weihnachten 1995 kam es dann auch zur letzten Begegnung mit ihrem Mann. Das Regime verweigerte ihm in den Folgejahren die Einreise. Auch als er 1997 an Krebs erkrankte und klar wurde, dass er bald sterben würde, blieb das Regime unnachgiebig. Die Herrscher Myanmars hofften, dass ihre schärfste Kritikerin das Land verlassen würde, um ihren Mann noch einmal zu sehen. Aber Aung San Suu Kyi blieb auch hier ihren Überzeugungen treu. Unbeirrbar hielt sie an ihren Prinzipien – der Gewaltlosigkeit, der Verantwortung und der spirituellen Revolution – fest, für die es einzig und allein des Mutes bedarf, den sie immer wieder bewiesen hat.
Heute, da sich das Land öffnet und Suu Kyi erstmals Regierungsverantwortung übernommen hat, muss sie beweisen, den hohen Ansprüchen auch in der konkreten Politik gerecht zu werden. Dabei zeigt sich schon jetzt, dass Suu Kyi die hohen Ideale, für die sie vor mehr als 20 Jahren mit dem Sacharow-Preis und dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, nicht immer erfüllen kann. So hat ihr etwa ihre Zurückhaltung bei den Ausschreitungen gegen die muslimische Minderheit der Rohingya im Spätsommer 2012 und im Frühjahr 2013 viel Kritik eingetragen.
– Quelle : www.dw.de