Leuchtende Kinderaugen vor dem Tannenbaum – das gibt es längst nicht nur bei Christen. Auch Mitglieder anderer Glaubensgemeinschaften in Deutschland feiern zur Weihnachtszeit, den Kindern zuliebe. Oft wird dabei der Glaube viel weniger dogmatisch gesehen, als angenommen.
Es geht um Nächstenliebe
„Ja, wir feiern Weihnachten“, bekennt Frank Huhn von den Stuttgarter Diamantweg-Buddhisten. Da seine Kinder schon 14 und 17 Jahre alt sind, überlegen sie diesmal allerdings, ob sie auf einen Weihnachtsbaum verzichten können. Seit 23 Jahren ist Huhn Buddhist. An Weihnachten geht es ihm vor allem um den Gedanken der Nächstenliebe. „Wir haben aber auch kein Problem damit, wenn meine Schwiegermutter eine Krippe mitbringt.“ Das große Fest seiner Glaubensgemeinschaft ist das Vesak-Fest am Vollmond-Tag im Mai. Gefeiert wird Buddhas Geburt, seine Erleuchtung und der Tod – mit Lesungen und Meditationen.
Keine Weihnachtsbäume bei Muslimen
„Bei praktizierenden Muslimen werden keine Weihnachtsbäume aufgestellt. Es würde die Kinder verwirren“, sagt Nurhan Soykan, Pressereferentin des Zentralrates der Muslime in Köln. Sie feierten am 20. Dezember im Kreis von Familie und Freunden ihr Opferfest, was neben dem Fastenbrechen nach Ramadan das zweite große Fest im Islam ist. Dabei würden auch die Kinder beschenkt. Berührungsängste mit dem Christentum gebe es aber nicht: „Letztlich muss jeder selbst wissen, wie er feiern möchte“, betont Soykan. Während einige andere Muslime Teile des Weihnachtsbrauchtums übernehmen, lehnt sie es für ihre Familie ab. Aber Ihre elfjährige Tochter singt im Schulchor Weihnachtslieder. „Das ist kein Problem für mich.“
„Wir haben eine eigene Tradition“
Im Judentum ist das Bild unterschiedlich, je nach Glaubensrichtung. Für orthodoxe Juden ist es abwegig, Weihnachten zu feiern. „Wir haben eine eigene Tradition“, betont Württembergs Landesrabbiner Netanel Wurmser. In der ersten Dezemberhälfte haben die Juden ihr großes Fest gefeiert: Chanukka. Acht Tage lang wurden bei Einbruch der Dunkelheit Lichter angezündet, und zwar von Tag zu Tag jeweils eins mehr. Dass viele Kinder dabei Geschenke bekommen haben, sei schon eine Anlehnung an Weihnachten, sagt Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden und Vater zweier Kinder. Seiner Erfahrung nach gibt es durchaus jüdische Familien, die trotz Chanukka einen Tannenbaum aufstellen und eine Art Weihnachten feiern – allerdings ohne christliche Symbole und natürlich ohne Gottesdienst. „Wir genießen an den Feiertagen einfach die Ruhe mit der Familie“, sagt der Berliner.
„Frei sei der Geist …“
Wer weiß, dass er an keinen Gott glaubt, braucht ebenfalls nicht auf ein schönes Fest im Winter zu verzichten. „Man kann beispielsweise die Sonnenwende feiern, auf die das Weihnachtsfest ja zurückgeht“, betont Rudolf Ladwig, Vorsitzender des Internationalen Bundes Konfessionsloser und Atheisten in Hagen. Was ihre Mitglieder machten – ob sie an Weihnachten in die Karibik flüchten oder einen Tannenbaum ohne Kreuz aufstellen – sei ihre eigene Entscheidung. Er werde die freien Tage nutzen, um liegen gebliebene Arbeit zu erledigen. Ärgerlich findet er, dass die Schulen ihre Feiern größtenteils an den christlichen Bräuchen ausrichten – trotz der großen Zahl von konfessionslosen Kindern und Familien anderer Glaubensgemeinschaften. „Frei sei der Geist, und ohne Zwang der Glaube“, zitiert er ein Motto des Bundes.
Buntes Fest bei den Baptisten
Auch für die Christen hierzulande ist Weihnachten längst nicht immer gleich. Einige orthodoxen Gemeinden leben beispielsweise nach dem Julianischen Kalender und feiern ihren Heiligabend erst am 6. Januar, wenn bei den meisten anderen Christen die Weihnachtsbäume bereits wieder abgeholt werden. Die Siebten-Tags-Adventisten verzichten oft ganz auf beleuchtete Tannen und andere weltliche Riten. Bei ihnen steht die biblische Lehre stark im Vordergrund. Und besonders bunt ist das Weihnachtsfest bei den Baptisten: Hier feiern Gläubige aus mehreren hundert verschiedenen Nationen zusammen – mit zum Teil sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergründen.