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Der Shingon Buddhismus

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Shingon und esoterischer Buddhismus

Als Begründer der Shingon Schule gilt Kūkai zugleich als Initiator des esoterischen Buddhismus in Japan, der manchmal als dritte Hauptrichtung neben Mahayana und Theravada eingestuft wird (s. Einführung). Ähnlich wie Saichō vertritt Kūkai die Auffassung, dass man noch in diesem Leben die Buddhaschaft erlangen könne, allerdings zieht er andere Mittel zur Erlangung dieser Buddhaschaft in Betracht. Er betont das Ritual, bzw. eine sozusagen aktionistische Vorgangsweise, die verschiedene rituelle Techniken kombiniert. Diese Techniken können nur unmittelbar von Meister an Schüler weitergegeben werden und müssen vor dem Gebrauch durch Uneingeweihte geschützt werden. Insofern spricht man von „geheimer“ oder eben „esoterischer“ Tradierung. Im Japanischen (und Chinesischen) heißt „esoterischer Buddhismus“ im übrigen schlicht mikkyō (chin. mijiao) – „geheime Lehre“.

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Vor Kūkai bestanden buddhistische Riten in Japan v.a. aus Rezitationen von (nicht nur für Laien meist unverständlichen) Sutrentexten. Kūkai kritisierte diese Praxis. Er verglich das rituelle Rezitieren von Sutren mit der Situation eines Kranken, dem der Arzt lediglich ein medizinisches Buch vorliest. Zu einer praktischen Heilung könne es jedoch nur kommen, wenn die in den Sutren beschriebenen Wahrheiten in Form von Gebetsformeln (skt. mantra), Handzeichen (skt. mudrā) und visualisierten Bildern (Mandalas), rituell angewandt werden. Das Ritual erhält im esoterischen Buddhismus demnach den Stellenwert eines Medikaments, dessen Anwendung erst die „Genesung“ nach sich zieht. Die verschiedenen Sparten von rituellen Heilspraktiken — Formeln, Gesten und Bilder — werden im esoterischen Buddhismus übrigens auch „Geheimnisse des Mundes“, „Geheimnisse des Geistes“ und „Geheimnisse des Körpers“, zusammen die „Drei Geheimnisse“ (sanmitsu) genannt. Die Bedeutung von magisch-rituellen Elementen spiegelt sich auch im Namen, den Kūkais Schule schließlich annham: shingon, wtl. „wahres Wort“ ist eine mögliche Übersetzung des Sanskritwortes mantra, Gebetsformel.

Grob gesprochen liegt die Betonung bei mikkyō eher auf dem Ritualwesen als auf Sutrenauslegung oder Dogmatik. In den Riten des mikkyō sind wiederum die strengen, furchteinflößenden Gestalten von besonderer Bedeutung. Auch das Feuer spielt im esoterischen Ritual eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang gelangte u.a. die Figur des „Unbeweglichen Mantra-Königs“ Fudō Myōō (Acala Vidyārāja) in Japan zu besonderer Bedeutung.

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Kūkais geschichtliches Wirken

Der esoterische Buddhismus erlebte zu Zeiten Kūkais in China gerade eine letzte Blüte, während er in Japan noch weitgehend unbekannt war. Kūkai war aber nicht der einzige, der sich für mikkyō interessierte und die entsprechenden Techniken in Japan bekannt machte. Auch Saichō brachte esoterische Riten und Schriften nach Japan. Kūkai und Saichō arbeiteten zunächst gemeinsam an deren Verbreitung, indem sie sich wechselseitig in Rituale einweihten, die sie in China kennen gelernt hatten. Saichōs Stärke lag aber offenbar in dem Bereich, der später allgemein als kengyō (offene Lehre oder „exoterischer Buddhismus“) bezeichnet wurde.

Saichō und Kūkai empfanden beide Bereiche, mikkyō und kengyō, als komplementär, auch wenn jeder wahrscheinlich den seinen als wichtiger erachtete. Im historischen Rückblick gilt Shingon als der Hauptvertreter des japanischen esoterischen Buddhismus. Unter den Nachfolgern Saichōs etablierte sich aber auch ein Zweig der Tendai Schule, der eine eigene esoterische Tradition pflegte. Dieser sog. taimitsu Zweig überflügelte zeitweise sogar den esoterischen Buddhismus der Shingon Schule (tōmitsu). Dennoch sind bestimmte Eigenheiten des japanischen esoterischen Buddhismus, wie z.B. die besondere Betonung der beiden Mandalas Taizōkai und Kongōkai mit Dainichi Nyorai im Zentrum, auf Kūkai zurück zu führen.

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Kūkai war offensichtlich eine Art Universalgenie, denn er beeindruckte seine Zeitgenossen auch auf zahlreichen künstlerischen Gebieten. Das führte dazu, dass ihm die Legende später die Urheberschaft zahlreicher kultureller Errungenschaften Japans zuschrieb. So gilt er als Vater der japanischen Silbenschrift (kana), der Kalligraphie, als hervorragender Dichter, Maler und Bildhauer. Auch wenn nicht alle Legenden zutreffen, bleibt sein Rang innerhalb der japanischen Religionsgeschichte unbestritten. Wie eine 1999 veröffentlichte Studie von Abe Ryuichi hervorhebt, liegt Kūkais überragende Bedeutung darin, dass er mit dem Ritualwesen des esoterischen Buddhismus ein neues Ausdrucksmedium im japanischen Buddhismus einführte, das für Jahrhunderte, besonders aber im sog. japanischen Mittelalter (12. – 16. Jh.), eine zentrale Form japanischer Religiosität darstellte. Während die Tendai Schule heute vor allem für ihre Neuerungen auf dem Gebiet der buddhistischen Erkenntnislehre bekannt ist, wird der Shingon Buddhismus zunehmend als jene Richtung wahrgenommen, die für Jahrhunderte auf dem Gebiet des Ritus den Ton angab und damit historisch ebenso bedeutungsvoll war.

Quelle : www.univie.ac.at




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