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Buddhismus und Yoga

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Zunächst ist es wichtig festzustellen, mit welcher Motivation man sich Yoga nähert. Es gibt grob gesprochen drei Hauptgründe für eine Beschäftigung mit Yoga: Die meisten Menschen suchen in Yoga eine Art sportliche Betätigung. Andere wollen über Yoga ihre Gesundheit fördern. Auch für sie steht meist eher die körperliche Betätigung im Vordergrund. Nur die wenigsten Yoga-Interessierten suchen über Yoga das, was Yoga eigentlich bezweckt: die Befreiung von Leid und das Erreichen eines erleuchteten Zustands, im Yoga Samadhi genannt. Dieses Ziel hat Yoga mit dem Buddhismus gemein. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied: Buddhismus ist ein auf ein anderes Leben hinzielendes Lehrsystem, während Yoga von vornherein ein Lebenssystem ist. Alle Lebensbereiche sollen von Anfang an erfasst werden, also z.B. auch Ernährung und Körperpflege. Das heißt zugleich umgekehrt: Yoga ist keineswegs nur körperlich. Bloß nehmen wir im Westen überwiegend nur die körperlichen Vermittlungsformen wahr, meist sogenanntes Hatha-Yoga. Zu Unrecht. Denn der körperliche Yoga wurde erst relativ spät entwickelt und ist nur eine Facette des ganzheitlichen Yoga.

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Egal welche Motivation Sie diese Zeilen lesen lässt, Sie sollten die wichtigsten Vermittlungsformen und Richtungen des Yoga kennen. Diese Vermittlungsformen sollte man nicht hierarchisieren, auch wenn die eher körperlichen Yoga-Vermittlungsformen von manchen Yoga-Richtungen nur als Vorstufen angesehen werden. Schließlich können alle Yoga-Vermittlungsformen zu den genannten Zielen führen. Und stehen miteinander in Beziehung. Denn eigentlich bilden sie eine Einheit. Eine kurze Beschreibungen der verschiedenen Yoga-Formen und der die eine oder andere Form stärker betonenden Schulen finden Sie im Yoga-Parcours.

Die meisten hiesigen Lehrangebote für Yoga beschränken sich auf die eher körperlichen Vermittlungsformen. Häufig scheuen sich die Lehrer, ihre Schüler mit tiefer gehenden Aspekten des Yoga zu behelligen. Manchmal reicht ihre Qualifikation auch nicht aus. Der Markt boomt, aber es gibt keine reglementierte Zulassung zu der Tätigkeit des Yoga-Lehrers. Lehrer mit umfassenden Kenntnissen zu finden, ist deshalb schwer. Wichtige Empfehlungen zur Lehrersuche finden Sie im Yoga-Parcours und ergänzend in unserem Buddhismus-Kapitel. Die Strukturen und Mechanismen der Yoga- und der Buddhismus-Szene sind so ähnlich, dass die Empfehlungen auch hier gültig sind.

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Wie verhält sich Yoga zum Hinduismus? Nehme ich automatisch indische Glaubensinhalte ins Boot? Yoga ist ursprünglich in Abgrenzung von traditionellen indischen Religionen entstanden. Es war eine Art Reformbewegung. Yoga wollte einen umfassenderen und besseren Zugang zu den teilweise identischen historischen Bezugstexten schaffen. Eine scharfe Abgrenzung ließ sich jedoch schlecht aufrecht erhalten. Es gibt Yoga-Vermittlungen ohne und mit mehr oder weniger starker Beimischung traditioneller indischer (meist hinduistischer) Glaubensinhalte. Deshalb sollten Sie für sich klären: Inwieweit sind Sie bereit, z.B. hinduistische oder manchmal auch pantheistische Gottvorstellungen mit ins Boot zu nehmen oder zumindest zu tolerieren? Tiefer gehende Yoga-Vermittlung ohne Rückgriff auf Glaubensinhalte zu finden, ist besonders schwer, aber nicht unmöglich. Die Situation gleicht insoweit der des Buddhismus im Westen: Es ist schwer, buddhistische Unterweisung ohne Beimischung asiatischer Glaubensinhalte und kulturellen Prägungen zu erhalten.

Wie verhält sich Yoga zum Buddhismus? Der wichtigste dogmatische Unterschied bezieht sich auf das Verständnis des Selbst: Ist es in jedem Menschen gleich (Buddhismus) oder gibt es ein einziges Selbst, das sich in jedem einzelnen manifestiert (Yoga und Hinduismus). Aber dieser Unterschied ist blass. Buddhismus ist eine – tendenziell intellektuellere – Vermittlungsform für ein sehr ähnliches oder sogar identisches Ziel: Befreiung, Erwachen, Auflösung des Ichs zugunsten der Freilegung des überpersönlichen Selbst sind einige Begriffe, die hier wir dort verwendet werden. Zugleich kennen einige Buddhismus-Formen und besonders der tibetische Buddhismus einen eigenen (körperlichen) Yoga, der aber eher eine ergänzende Funktion hat.

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Für wen ist der eine, für wen der andere Weg besser? Wegen der meist stärkeren Einbeziehung des Körpers ist Yoga dem Buddhismus und anderen Befreiungslehren bei einigen Menschen ganz fraglos überlegen. Dies gilt einerseits für diejenigen Menschen, die von einem durch Yoga zu milderndes körperliches Leiden an der geistigen Entwicklung gehindert werden. Aber auch körperlich besonders sensible Menschen können manchmal über körperlichen Yoga leichter als über intellektuelle Vermittlungsformen Zugang zu den tieferen Lehren gewinnen. Ob für andere, “normale” Menschen der eine oder der andere Weg günstiger ist, ist Glaubenssache. Die Anhänger des Buddhismus halten oft ihren Weg für noch ein bißchen besser, die des Yoga den anderen. Einige Anhänger des Buddhismus praktizieren “nebenher” Yoga (oder auch Qi Gong, Tai Chi) und können die dabei gemachten Erfahrungen mit der buddhistischen Meditationserfahrung verbinden. Letztere wird so vertieft. Dies ist ein dritter empfehlenswerter Weg. Wieder andere gehen vom Yoga aus, studieren ergänzend buddhistische Schriften und gewinnen so zusätzlich geistige Schärfe auf dem Yoga-Weg. Auch das ist eine prima Sache.

Kurzum: Yoga und Buddhismus haben ein ähnliches wenn nicht identisches Ziel, das der Befreiung. Ihr Methodenspektrum überschneidet sich. Der methodische Schwerpunkt ist jedoch – mit Unterdifferenzierungen je nach Schule – ein anderer. Ich habe deshalb nie einen buddhistischen Lehrer oder Autor schlecht über Yoga reden gehört und umgekehrt. Diese Verwandtschaft gibt Ihnen die Freiheit, zwei über Jahrtausende bewährte Schulungswege in einer Ihnen entsprechenden Form zu integrieren. Und dies zu tun, hat nichts mit esoterischem Eklektizismus zu tun. Es sei denn, man hüpft vom einen zum anderen und zurück, ohne eine wechselseitige Vertiefung zu suchen.

Quelle : www.luithlen.de

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