Bald wieder in Hamburg – Der Dalai Lama kennt nur die Alternativen: Das Ende der Menschheit zugunsten der Tiere oder Übertritt zum Buddhismus. Von Alexander Riebel
Der Dalai Lama ist wieder ante portas. Er ist wie auch in den vergangenen Jahren nun zum sechsten Mal für ein mehrtägiges buddhistisches Treffen in Hamburg angekündigt, vom 23. bis 26. August. Veranstalter ist die Tibetisches Zentrum Event gGmbH. Der Dalai Lama wird wieder um seine Kernideen kreisen, wie dem Programm zu entnehmen ist. Er wird „menschliche Werte“ lehren, und dabei über ein „Wertesystem“ sprechen, „das über die Religion hinweg gültig ist und alle Menschen“ eint. Dazu gehören „Gewaltlosigkeit, Toleranz und Vergebung“. Warum er dann noch als Buddhist auftritt, wenn er etwas über die Religionen hinweg gefunden hat, bleibt unklar. Aber um den Buddhismus geht es ihm allein. Darauf weisen auch die Literaturtipps mit umfangreichen Textauszügen hin, die auf der Internetseite für die Veranstaltung schon mal einstimmen sollen (www.dalailama-hamburg.de).
Der Dalai Lama vertritt da wieder die buddhistische Auffassung vom Loslassen des Ich. Das Ich müsse zugunsten aller Lebewesen aufgegeben werden: „Wenn wir als Menschen nicht in der Lage sind, unser Potenzial in heilsamer Weise zu nutzen, denke ich, wäre es für uns besser, gar nicht zu existieren. Dann könnten zumindest die anderen Lebewesen harmonischer leben.“ Der Dalai Lama will also selbst im Heilsgeschehen Regie führen und die Menschen zugunsten der Tiere und Pflanzen lieber beseitigen. „Manchmal denke ich: Wenn wir mit einem solch zerstörerischen Lebensstil fortfahren, sollten wir beten: „Hoffentlich geht dieses menschliche Leben bald zuende.“ Als einzigen Ausweg nennt der Dalai Lama dann natürlich doch den Buddhismus, der den Sinn habe, alle fühlenden Wesen zur Erleuchtung zu bringen. Also fordert der Dalai Lama die Alternative zwischen dem Buddhismus und dem Ende der Menschheit. Das ist skandalös, misst man ihn an seinen eigenen Zielen von „Gewaltlosigkeit, Toleranz und Vergebung“.
Der Ich-freie Zustand soll nach der Lehre des Dalai Lama in ein leidloses Leben führen: „Wir werden schrittweise einen Zustand erreichen, in dem wir völlig frei von unangenehmen Empfindungen sind; wir werden die Befreiung aus dem Daseinskreislauf erreichen.“ Das ist alles andere als die Gegenwart des Kreuzes. Der Buddhismus will gerade die Leiderfahrung beiseiteschieben, zumindest in den Worten des Dalai Lama. Das setzt eine gesunde Konstitution voraus, die nicht an körperliches Leid denken lässt. Positiven Geist entwickeln, wie es das Religionsoberhaupt fordert, sollte jedoch nicht heißen, negative Erfahrungen möglichst auszublenden; damit wäre niemandem geholfen.
Ein weiterer Text des Tibeters Geshe Thubten Ngawang auf der Programmseite im Internet zeigt, dass es natürlich auch um Leiderfahrung im Buddhismus geht. „Verleihe mir die Kraft, dass später allein das Aussprechen meines Namens dazu führt, dass das Leiden der Lebewesen besänftigt wird.“ Dieser Ausspruch verlangt eine Menge an selbstbewusstem Ich, aber er zeigt auch, dass es im Buddhismus zentral um das Leiden geht. Aber aus der Verringerung des Leidens folgt noch nicht die Lebenswirklichkeit, die wir in ihrer ganzen Fülle täglich bewältigen müssen. Darum sagt Geshe Thubten Ngawang auch: Die „Einstellung zu den weltlichen Dingen sollte so sein wie die Haltung einem längst Verstorbenen gegenüber, an den keine Anhaftung mehr besteht“, also kein Festhalten an irgendetwas. Damit sind aber nicht nur die irdischen Dinge gemeint, sondern auch jedes Verständnis von Gott, denn auch Götter sind im Buddhismus sich wandelnde und unerlöste Wesen.
Die Geistesschulung wird ein teurer Spaß
Dieser atheistische Buddhismus wird in Hamburg gelehrt, die Kosten für die Teilnehmer sind nicht unerheblich. Je nach Sitzplatz müssen sie zwischen 110 und 390 Euro bezahlen. „Geistesschulung“ steht in den drei Tagen ganz oben. In die CCH Congress Center Hamburg sollen 7 000 Menschen passen, und mit den großen Leinwänden soll garantiert sein, dem Meister nahe zu sein. Sogar die Bundesbahn beteiligt sich an dem buddhistischen Ereignissen mit Festpreisen von allen deutschen Bahnhöfen.
Auch dass der Dalai Lama bloß Ethik und nicht Religion will, macht die Internetseite mit einem Zitat „Seiner Heiligkeit“ deutlich: „Was wir heute brauchen, ist eine ethische Grundlage, die sich nicht auf Glaubenssysteme bezieht und daher sowohl für religiöse als auch nicht-religiöse Menschen annehmbar ist: eine säkulare Ethik.“ Die säkulare Ethik soll auch für die Religion verbindlich sein; dabei kann sie doch nur von säkularer Verbindlichkeit sein. Aber das stört den Dalai Lama nicht. So wie ihn auch die Genderdiskussion in Deutschland kaum berühren dürfte. Buddha ist in den Darstellungen ein männlich-weibliches Zwitterwesen – auch das kann als aktueller Beitrag zur „säkularen Ethik“ gesehen werden. Man wird sich in Hamburg also ganz über das Diesseits verständigen. Religion wird kein Thema sein.