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Buddhismus in Tibet‬

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Die Entwicklung des Buddhismus in Tibet bzw. im Hochland von Tibet geht auf erste Kontakte im 5. Jahrhundert zurück. Zur offiziellen Einführung des Buddhismus in Tibet als Staatsreligion kam es im 8. Jahrhundert durch König Trisong Detsen. In Tibet entstanden im Verlauf der Zeit verschiedene buddhistische Schulen.

Junge tibetische Mönche im KlosterDrepung
Junge tibetische Mönche im KlosterDrepung

Bön und Buddhismus

Bevor der Buddhismus in Tibet bekannt wurde, war dort die Bön-Religion vorherrschend. Die Bön-Lehren breiteten sich von dem ursprünglich unabhängigen westtibetischen Königreich Shang Shung nach Zentraltibet und dann weiter in die anderen Regionen Tibets aus. Diese Religion enthält, so wie der tibetische Buddhismus, einerseits naturreligiöse Vorstellungen und animistische Praktiken und andererseits Lehren und Praktiken, die den verschiedenen buddhistischen Yanas (Hauptrichtungen) bis hin zum Tantra und Dzogchen entsprechen.

Aufgrund der späteren jahrhundertelangen Koexistenz mit dem Buddhismus sind die Traditionen des „Yungdrung Bön“ und des „Neuen Bön“ dem tibetischen Buddhismus, vor allem in der Tradition der Nyingma-Schule, sehr ähnlich. Die Bönpo beziehen sich in den Ursprüngen ihrer Tradition aber nicht auf BuddhaShakyamuni, sondern auf den Buddha Shenrab Miwoche als Gründer der Tradition, der vor 18.000 Jahren gelebt haben soll.

Erster Kontakt mit buddhistischen Lehren

Lha Thothori Nyentsen

Der erste Kontakt der Tibeter mit buddhistischen Lehren erfolgte angeblich zur Zeit des 28. Königs von Tibet Lha Thothori Nyentsen im 5. Jahrhundert. Der Legende zufolge soll zu dieser Zeit auf wundersame Weise eine kostbare Schatulle auf dem Dach des Königspalastes Yumbu Lagang erschienen sein. Diese enthielt zwei buddhistische Sutra-Texte, darunter das „Karandavyuha-Sutra“ über die Bedeutung des Bodhisattva Avalokiteshvara, eine goldene Miniatur-Stupa, das sechssilbige Mantra Avalokiteshvaras Om mani padme hum(tibetische Aussprache: Om mani peme hung) und andere heilige Objekte. Der König konnte die Bedeutung der Objekte nicht verstehen, erkannte aber intuitiv, dass sie von besonderer Bedeutung waren.

Nach einer weniger phantastischen, möglicherweise historisch zutreffenden Schilderung wurden ihm diese Gegenstände von einem indischen Mönch gebracht, der erstmals buddhistische Lehren nach Tibet einführen wollte. Dieser aber reiste, da er die Sprache des Königs nicht beherrschte und auch keine Übersetzer zur Hand waren, unverrichteter Dinge wieder nach Indien zurück und ließ lediglich die Schatulle samt Inhalt als Gabe an den König zurück. Nach der Legende soll der betagte König dank seiner Verehrung für diese kostbaren Objekte auf wundersame Weise das Aussehen und die Vitalität eines jungen Mannes zurückerhalten haben und ein Alter von 120 Jahren erreicht haben.

Songtsen Gampo

Unter dem zentraltibetischen König Songtsen Gampo (Regierungszeit 617-649) begann der Buddhismus in Tibet erstmals wirklich Fuß zu fassen, auch wenn es zu dieser Zeit nur wenige Buddhisten gab und ihre Tempel schlichten Kapellen ähnelten. Songtsen Gampo nahm sowohl eine nepalesische Prinzessin Bhrikuti, als auch die chinesische Prinzessin Wen Cheng zur Frau. Beide waren überzeugte Buddhistinnen und brachten dem König die Lehre Buddhas nahe. Der König selbst gründete auf Drängen seiner Frauen zwei Heiligtümer inLhasa, darunter den Jokhang-Tempel. Er wird aus diesem Grund auch, neben König Thrisong Detsen und König Relpacen, zu den „Drei Dharma-Königen“ Tibets gerechnet. Vorherrschende Religion war damals noch der Bön.

Padmasambhava (Guru Rinpoche), Begründer des Buddhismus in Tibet
Padmasambhava (Guru Rinpoche), Begründer des Buddhismus in Tibet
Erste große Übersetzungsphase und Verbreitung des Buddhismus

Nyingma-Schule

Die eigentliche landesweite Verbreitung des Buddhismus in Tibet fand zur Zeit der ersten Übersetzungsphase buddhistischer Schriften, aus dem Sanskrit ins Tibetische, im 8. Jahrhundert statt.

König Thrisong Detsen

Der tibetische König Thrisong Detsen lud in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts die indischen Meister Padmasambhava undShantarakshita nach Tibet ein, um dort den Buddhismus zu verbreiten. Sie gründeten das erste buddhistische Kloster Samye-Ling, welches sich zum wichtigsten Lehrzentrum der damaligen Zeit entwickelte. Padmasambhava lehrte vor allem die tantrischen Aspekte des Buddhismus und bezwang, nach der Überlieferung, die Geister und Dämonen Tibets, weshalb sich der Vajrayana-Buddhismus in Tibet durchgesetzt haben soll.

Die Übersetzung des Tripitaka und der äußeren Tantras aus dieser Zeit ist Grundlage der Lehrsammlungen aller tibetischen Schulen geworden. Die aus dieser ersten Übersetzungsphase entstandene Schultradition nennt man Nyingma, wörtlich „Die Alten“. Sie wird aufgrund ihrer frühen Entstehung auch als die Schule der „Alten Übersetzungen“ bezeichnet und unterscheidet sich insbesondere in den sog. inneren Tantras von den später entstandenen Schulen. Vom 8. bis zum 11. Jahrhundert war die Nyingma-Tradition die einzige buddhistische Schule in Tibet. Neben dem Kloster Samye wurden die einige Jahrhunderte später gegründeten Klöster Kathog, Dorje Drag, Mindrölling, Pelyül,Dzogchen und Shechen, bekannt als die „Sechs großen Sitze“ der Nyingma, Ausgangspunkt für die Verbreitung der Lehren der Nyingma.

Verfolgung des Buddhismus unter König Lang Darma

Die von dem buddhistischen König Relpacen eingeführten Reformen, die die Macht des tibetischen Landadels stark beschnitt und den buddhistischen Klöstern auf Dauer bestimmenden Einfluss in den Regionen Tibets gebracht hätten, führten zu seiner Ermordung. Sein Bruder Lang Darma, ein Anhänger des Bön bestieg den Thron und begann mit der Verfolgung des Buddhismus. Während seiner Regierungszeit (836–842) wurde der Buddhismus in seiner klösterlichen Form stark zurückgedrängt. Aufgrund einer Begegnung mit einem buddhistischen Yogi, der Lang Darma durch seine Wunderkräfte (Siddhi) stark beeindruckt haben soll, unterließ es Lang Darma, die buddhistischen Yogis zu verfolgen. Die mündlichen Überlieferungslinien der „Schule der Alten Übersetzungen“ (Nyingma-Kama), die zu dieser Zeit hauptsächlich von Yogis weitergeführt wurden, überstanden die Zeit der Verfolgung daher unversehrt. Des Weiteren verbarg Guru Rinpoche, der die Unterdrückung des Buddhismus zur Zeit Lang Darmas voraussah, und seine engsten Schüler viele tantrische Lehren, die in den folgenden Jahrhunderten als „Verborgene Schätze“ wiederentdeckt wurden. Diese wiederentdeckten Schätze wurden Grundlage für eine Vielzahl eigenständiger Überlieferungslinien.




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