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Opfergaben – Im Kontext der japanischen Religion

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offrande_bouddhisme
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Wenn man vom abendländischen Religionsverständnis ausgeht, verbindet sich mit dem Begriff „Opfer“ die Vorstellung des Blutopfers, bzw. der Vernichtung von Lebendigem oder von essentiellen Ressourcen (vgl. die biblische Episode von Kain und Abel: Abel opfert Fleisch, Kain Getreide, indem sie es verbrennen). Auch wenn die moderne christliche Religion keine derartigen Opfer mehr fordert, existiert die Idee des Blutopfers weiter fort, manifestiert sie sich doch nicht zuletzt in Christus, der sich selbst zum Opfer macht. In Japan ist diese Art von Selbstopfer keineswegs unbekannt — man denke an die Tradition des seppuku (harakiri), beispielsweise um als Vasall seinem Herrn in den Tod zu folgen, oder an die kamikaze-Selbstmord Piloten.

Erstaunlicherweise finden sich für derartige blutige Opferungen aber nur wenige Vorbilder in der Religion. Es scheint zwar in grauer Vorzeit Menschenopfer in Japan gegeben zu haben (s.u. Anm.), diese wurden aber unter chinesischem bzw. buddhistischem Einfluss zurückgedrängt. Buddhistische Legenden erzählen wiederum von einem Hasen, der sich selbst ins Feuer warf. Gegenüber den Opfertaten heroischer Helden und Heldinnen aus den Kriegerepen nehmen sich solche religiösen Legenden aber eher bescheiden aus.

Im Kontext der japanischen Religion ist das Opfer eher als Spende zu verstehen und tatsächlich gibt es auch terminologisch keine klaren Unterschiede zwischen Spende und Opfer. „Opfer“ bedeutet also nicht so sehr Schmerz und Verzicht, sondern eher einen positiven Beitrag zu Ehren einer Gottheit. In den meisten Fällen ist damit die Erwartung einer konkreten Gegenleistung seitens der Gottheit verbunden.

Opfergaben in diesem Sinne gehören seit jeher zur Ausübung von Religion in Japan, unabhängig ob shintoistisch oder buddhistisch. Geldspenden (saisen) sind heute die gängigste Form der Opfergabe. Die Summe kann von ein paar Yen-Münzen, die man in den saisen bako wirft, bis zu enormen finanziellen Beiträgen zur Erhaltung oder Erneuerung der Gebäude reichen. Während die meisten Opfergaben sowohl für kami als auch für Buddhas tauglich sind, sind z.B. Räucherstäbchen, die die Flüchtigkeit des Daseins veranschaulichen, stark buddhistisch konnotiert. Das berühmte Zickzackpapier (gohei) ist dagegen eine symbolische Opfergabe des Shinto. Es dient häufig zusammen mit einem Götterseil (shimenawa) zur Kennzeichnung eines sakralen Bereichs.

Nahrungsopfer

Auch wenn Tieropfer in Japan selten sind, gibt es zahlreiche Opfergaben in Form von anderen Naturalien, allen voran in Form von Reis. Opferreis wird meist zu mochi — also zu Teig — gestampft und in eine runde, fladenartige Form gebracht. Man nennt dies kagamimochi („Spiegel-mochi“). Kagamimochi werden besonders zu Neujahr prächtig arrangiert und den kami dargebracht. Auch Sake wird gern geopfert. Zu großen Feiertagen werden vor vielen Tempeln und Schreinen Gestelle errichtet, auf denen die dekorativen Fässer des gespendeten Sakes weithin sichtbar ausgestellt sind.

In einem etwas bescheidenerem Rahmen werden Früchte und Blumen als Opfergaben verwendet. Neben den standardisierten Opfergaben gibt es auch eine ganze Reihe individueller Opfer, die Leute aufgrund sehr persönlicher emotionaler Bindungen bestimmten Gottheiten darbringen. Besonders an weniger prominenten sakralen Orten fallen Getränkedosen, Obst und Kekse ins Auge, die keineswegs achtlos weggeworfen, sondern sorgfältig arrangiert sind, um einer Gottheit, die wohl eher Mitleid als Ehrfurcht erregt, einen Liebesdienst zu erweisen. Die Jizō-Statuen für verstorbene Kinder sind beliebte Objekte dieser spirituellen Fürsorge, die sich aber auf alle anderen Arten von Gottheiten beziehen kann. Diese Praxis wirft ein interessantes Licht auf das Konzept von Gottheiten in Japan: Sie sind den Menschen keineswegs immer überlegen, sondern können auch hilfsbedürftig und ungeschickt sein.
NB: Wenn man im Rahmen häuslicher Rituale vor dem Hausaltar Nahrungsmittel darbringt, spricht nichts dagegen, sie nach einer Weile selbst zu essen.


Aus der Heian-Zeit (794-1185) gibt es sehr genaue Listen von Opfergaben (z.B. in den Engishiki), die den großen Schreinen durch den Hofstaat des Tenno bei regelmäßigen großen Zeremonien dargebracht werden sollten. An prominenter Stelle werden dabei immer Stoffe genannt. Da Stoffe einst eine Art Zahlungsmittel darstellten, kann man erkennen, dass Opfer schon damals im Grunde den Unterhalt von religiösen Institutionen sichern halfen. Opfer darbringen bedeutet in Japan also in den seltensten Fällen wertvolle Dinge zu Ehren der Gottheit vernichten sondern eher wertvolle Dinge zur Unterstützung des Gottes-Dienstes zu spenden.

Universität Wien

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